Elif Shafak, Das Flüstern der Feigenbäume

Ein neues Buch einer meiner Lieblingsautorinnen: für mich sowieso ein „Muss“, umso mehr, als ich dieses Jahr auf Zypern, dem Handlungsort des Romans war. Der Zypernkonflikt, das geteilte Land- wieviel wissen wir eigentlich davon? Ich wenig, nur in Ansätzen, umso mehr ein Grund dieses Buch zu lesen.

1974 befindet sich das idyllische Zypern kurz vor dem Bürgerkrieg. Eine Taverne ist der einzige Ort, an dem sich der Grieche Kostas und die Türkin Defne treffen können. Eine verbotene Liebe, sie Muslima, er Christ, auch schon vor der Teilung ein Problem. Ein prachtvoller Feigenbaum im Innenhof der Taverne ist Zeuge ihrer glücklichen Begegnungen und ihrer stillen Abschiede. Kostas muss der Insel den Rücken kehren.

Der Feigenbaum ist auch da, als der Krieg ausbricht, als die Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt wird, als Menschen auf der ganzen Insel spurlos verschwinden.

In der Gegenwart steht der Baum im Garten von Kostas und seiner 16-jährigen Tochter Ada in London. Ada weiß nichts von ihrer Heimat, Kostas hüllt sich in Schweigen, wenn es um seine Vergangenheit geht und die seiner verstorbenen Frau, Defne. Nur die Wurzeln des Baums stellen noch eine Verbindung dar zu dem, was geschehen ist. Doch Ada forscht nach: Was verbirgt sich hinter dem Schweigen ihres Vaters? Warum musste ihre Mutter sterben?

Das mystische Element des Romans: der Feigenbaum, der seine Version der Geschichte beisteuert. Ein Kniff der Autorin, um keine Stellung beziehen zu müssen, um sich auf keine Seite zu schlagen, denn der Feiggenbaum sieht alle Seiten. Aber auch er geht in s  Exil, als Steckling nach England geschmuggelt und dort neu eingepflanzt.

Elif Shafak erzählt anrührend und poetisch in einer blumigen, bildstarken Sprache  von den Traumata,  die durch Schweigen an die nächsten Generationen weitergegeben werden.

Kein & Aber, € 27,00