Benedict Wells, Vom Ende der Einsamkeit

Ein junger Autor, den man sich auf keinen Fall verpassen sollte. Egal, ob dieses, hier vorgestellte  Buch, oder dessen Vorgänger“Fast genial“. Ich bin fasziniert von der Genauigkeit der Beobachtung, der Tiefe der Gefühle,  der großen Bandbreite an Beobachtungen, der Feinsinnigkeit und der Empathie . Umso mehr, wenn  man berücksichtigt,  dass der Autor erst Anfang 30 ist, und nicht etwa schon auf ein langes gelebtes Leben zurückblicken kann.

Jules, die Hauptperson, verliert im Alter von 10 Jahren seine Eltern. Wie weiterleben nach einem solchen Verlust? Mit seinen beiden Geschwistern wird er in einem Internat groß. Und jeder von ihnen verkraftet den Verlust anders, geht anders damit um. Eine Stütze sind sie sich nicht. Die findet Jules in Alva, der Freundin, die ihn durchs Leben begleitet, die ihre Liebe erst spät entdecken, zu spät, die wertvolel Zeit verlieren. Dann aber doch noch zusammenkommen, aber auch das ist noch nicht das Ende der Geschichte! Ein Buch, das es schafft Tragik und ganz wundervolle Momente mit einer Leichtigkeit zu kombinieren. Lassen Sie sich dieses Kleinod nicht entgehen!

Kent Haruf, Unsere Seelen bei Nacht

Ein ganz besonderes feines, leises Buch, das der Diogenes Verlag Jahre nach dem Tod des amerikanischen Autors ins Deutsche hat übersetzen lassen.

Das Buch erzählt auf knapp 200 Seiten die Geschichte von Addie und Louis, beide um die 70 Jahre, lebend als Nachbarn in der Kleinstadt Holt. Bisher hatten sie nicht viel miteinander zu tun Das ändert sich an dem Tag, an dem Addie bei Louis klingelt und ihn mit einem ganz besonderen Wunsch konfrontiert. Ob sie beide nicht ab und zu die Nacht miteinander verbringen könnten? Es ginge ihr nicht um Sex, sondern um die Einsamkeit, gerade bei Nacht, besser aushalten zu können. Louis willigt nach anfänglichem Zögern ein. Und ab sofort verbringen sie einzelne Nächte zusammen , erzählen sich aus ihrem Leben, ihre Gedanken, Wünsche, Hoffnungen und Ängste. Es wächst etwas ganz Besonderes zwischen ihnen. Aber: sie haben nicht mit ihren Mitmenschen gerechnet!

Ein Lieblingsbuch: einfach wunderbar!

Nina George, Das Lavendelzimmer

Ein schon etwas älterer Titel, der mir gerade, als ich mir Gedanken über Lieblingsbücher zum „Welttag des Buches“ gemacht habe, wieder eingefallen ist. Ein wilrkliches Lieblingsbuch für Bücherfreundinnen. Bei flüchtiger Lektüre würe man vielleicht urteilen können: ein Kitschroman- aber dann hat man Inhalt und Sprache nicht wirklich auf sich wirken lassen. Nein, dieses Buch ist soviel mehr: lesen Sie es!

Monsieur Perdu betreibt eine Buchhandlung auf einem alten Lastkahn in Paris auf der Seine. Eine Bücherapotheke ist es, er verkauft nur Bücher, die seinen Kunden helfen sollen. Einzunehmen bei Liebeskummer, Weltschmerz und zur Überwindung von Ängsten. Nur sich selber hat er nie heilen können, auch nicht durch Bücher  – von dem großen Kummer, dass ihn die Liebe seines Lebens vor 21 Jahren verlassen hat, dass sie ihm nur einen Brief zurückgelassen hat, den er sich aber bis heute nicht hat öffnen trauen. Und nun ändert sich plötzlich alles. Eine neue Hausbewohnerin, die über wenig Möbel verfügt, der möchte er aus dem jahrelang geschlossenen Zimmer einen Tisch und einen Stuhl  holen. Und mit dem Zimmer öffnet er scheinbar auch sich selbst ein Stück. Er bindet seine schwimmende Buchhandlung vom Kai los und macht sich auf den Weg in die Provence um das Rätsel um seine verschwundene Freundin zu lösen. Allerdings reist er nicht allein: In letzter Minute springt ein junger, verzweifelter Autor auf sein Schiff, hinzu kommt ein italienischer Koch und …. Nein, weiter erzäühle ich nicht, lesen Sie einfach selber!

 

Susann Pasztor, Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

Ein wunderbarer kleiner Roman über die großen Themen des  Lebens: Liebe , Tod, Vertrauen. Und obwohl die Themen so groß und ernst sind, schafft es Susann Pasztor sie in eine lesenswerte Geschichte voller Humor  und guter Gedanken zu packen.

Karla ist Anfang 60. Sie hat Bauchspeicheldrüsenkrebs und hat nach einem spektakulärem Leben nur noch wenige Monate zu leben. Fred ist alleinerziehender Vater eines 13 jährigen Sohnes.  Er ist ehrenamtlicher Hospizmitarbeiter und arbeitet in seiner Freizeit als Sterbebegleiter. Karla ist nun sein erster „Fall“ und er möchste alles richtig machen. Karla macht es ihm nicht leicht, sie ist störrisch, gerne auch mal launisch  und sehr reserviert. Alles, was  Fred sich vorgenommen hat, funktionniert bei dieser Klientin nicht wirklich. Auch Phil , sein Sohn, lernt Karla kennen, er bekommt von ihr die Aufgabe ihre Photos zu digitalisieren.  So unterschiedlich die Protagonisten, so wachsen sie doch zusammen. Bis Fred versucht Karla mit ihrer Vergangenheit versöhnen, ab dem Zeitpunkt möchte sie ihn nicht mehr sehen. Phil ist es, der weiter zu Karla geht.

Ein intensives, wundervolles Buch, bei dem wir lachen dürfen, obwohl wir uns mit dem Tod beschäftigen. Für mich ist dieses Buch der Anlass, die weiteren Bücher der Autorin zu lesen!

Judith Taschler, bleiben

Judith Taschler war mir durch ihren letzten Roman „Die Deutschlehrerin“ , für den sie mit dem „Friedrich Glauser Preis“ ausgezeichent wurde, in guter Erinnerung geblieben. Ihre Fähigkeit, die wichtigen Themen des Lebens mit  einer klaren, schnörkellosen  Sprache zu erfassen, hatte mir imponiert. Eindrucksvoll schreibt sie über die großen Themen im Leben, wie Liebe und Verrat, Tod und Vertrauen.

Es ist eine kurze, zufällige Begegnung auf der Reise nach Italien: Max, Paul, Felix und Juliane – vier junge Leute, voller Träume für die Zukunft, treffen im Nachtzug nach Rom aufeinander.
Juliane und Paul werden heiraten, Max und Felix sich auf eine Weltreise begeben.
Nach zwanzig Jahren trifft Juliane Felix zufällig in einer Galerie wieder und die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre, die er jedoch ohne jede Erklärung abbricht. Erst Monate später erfährt Juliane – ausgerechnet von ihrem Mann – den Grund.
Die Wahrheit ist furchtbar und lässt das Leben aller eine dramatische Wendung nehmen.

Die Geschichte  wird aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt, die 4 , inzwischen erwachsenen Protagonisten kommen zu Wort. Und so erschließt sich uns erst nach und nach die Geschichte jedes einzelnen und ihre Beziehungen zueinander.

Ein eindrucksvoller Roman!

Angeles Donate, Der schönste Grund, Briefe zu schreiben

„Niemals wird eine Träne eine E- Mail verwischen.“ (Jose Saramago)

Und deswegen haben wir es hier mit einem Roman zu tun, der die Kunst des Briefe schreibens hochhält. Das literarische  Debüt einer spanischen Autorin, das der Thiele Verlag in einem optisch und haptisch ansprechendem  Buch in Deutschland veröffentlicht.

Die allein erziehende Sara arbeitet als Postbotin in der kleinen Stadt Porvenir, soll aber nun nach Madrid versetzt werden, da das Briefaufkommen iim Ort immer mehr zurückgeht. Das ruft Rosa auf den Plan, eine ältere, liebevolle Nachbarin, die in Sara und ihren Kindern eine Ersatzfamilie gefunden hat. Ihre Idee: es müssen wieder mehr Briefe geschrieben werden, damit Sara Arbeit hat. Und sie setzt eine Briefkette in Gang: sie selber schreibt einen Brief, der ihr, nach einer Verfehlung in der Jugendzeit schon lange auf der Seele brennt. Sie bittet die Empfängerin des Briefes wiederum selber anaonym an jemanden im Ort zu schreiben, der das so fortführt. Und so lernen wir über die Briefe eine Vielzahl von Menschen in Porvenir kennen, die nebeneinander her lebten, ohne sich näher kennengelernt zu haben.

Und der schönest Grund Briefe zu schreiben, sind natürlich die Liebesbriefe!

Eine hübsche  Geschichte, warmherzig geschrieben , schön zu lesen, ein Wohlfühlbuch! Und vielleicht auch für uns eine Anregung, sich ein schönes Papier und einen guten Stift zurechtzulegen!

 

 

Thees Uhlmann, Sophia, der Tod und ich

Mein Lesehighlight im Frühling. Thees Uhlmann kann nicht nur Musik mit seiner Band Tomte machen, er kann auch noch überaus witzig, intelligent und unterhaltsam schreiben!

Es klingelt beim Ich- Erzähler, einem eher antriebsschwachen Altenpfleger. Der Tod steht vor der Tür und will ihn holen: jetzt! Aber etwas kommt dazwischen, und zwar Sophia, die Exfreundin, die wenige Augenblicke später ebenfalls zu Besuch kommt. Und so muss die Sache mit dem Sterben erst einmal warten. Einen letzten Wunsch bekommt der Todgeweihte noch erfüllt:  seinen kleinen Sohn noch einmal sehen, der seit der Geburt ausschließlich bei der Mutter lebt. Und so machen sich der Tod, Sophia, unser Altenpfleger und dessen Mutter auf den Weg nach Süddeutschland um den Kleinen zu besuchen. Eine Reise, die es in sich hat, ein sprachliches Feuerwerk zwischen dem Tod und seinen Mitreisenden. Ruhiger geht es nur zu, wenn der Held an seine Kindheit denkt und an die wundervollen Momente vor allem mit seinem verstorbenen Vater. Spannend wird es,  als der Tod einen Mitbewerber bekommt, der ihm seinen Job streitig machen will! Ein ungewöhnlicher Roadtrip, eine fantastische Geschichte mit vielen nachdenkenswerten Dialogen. Ein Buch mit dem Tod, ein Buch über den Tod- aber eigentlich geht es um das Leben und was uns wichtig ist!

Sicher nicht für jedermann geeignet, aber wer sich auf schräge und ungewöhnlich geschriebene Geschichten einlassen mag- der sollte nicht zögern!

Kiwi, € 18,99

Laurain, Der Hut des Präsidenten

Kleider machen Leute…

Mitterand, der französische Präsident hat seinen Hut in einem Bistro vergessen. Dies ist nicht unbeobachtet geblieben: Daniel Mercier hat dies beobachtet und nimmt den Hut an sich. Mit was für Folgen! Der Hut beflügelt ihn, gibt ihm Mut und Selobstvertrauen und er schafft es endlich, aus den althergebrachten Strukturen auszubrechen. Doch , oh Schreck, er vergisst diesen besonderen Hut im Zug. Auch hier bleibt die Kopfbedeckung nicht lange ohne neuen Besitzer. es regnet und so greift Fanny nach diesem. Mit der Folge, dass sie sich endlich aus einer langen Affaire mit einem verheirateten Mann befreit. Und so lernen wir im weiteren Verlauf des Buches fünf grundverschiedene Menschen kennen, die alle beflügelt werden von dieser besonderen Kopfbedeckung.

Diesen Personen durch den Roman zu verfolgen , die Veränderungen, die in ihr Leben treten zu begleiten, das macht den Reiz dieses schönen Buches aus!

Atlantik Verlag , € 20,00

Antoine Laurain, Liebe mit zwei Unbekannten

Eine feinsinnige Liebesgeschichte, in die man sich gerne hineinfallen lässt! Seinem Autor, Antoine Laurain, ein Pariser Drehbuchschreiber und Antiquitätenhändler, gelang mit diesem Buch der internationale Durchbruch.

Laure, in Paris lebend, wird eines Tages Opfer eines Überfalls. Dabei wird ihr ihre Handtasche entrissen, sie selber schwer verletzt. Diese Handtasche wird wenig später von Laurent, einem Pariser Buchhändelr,  gefunden, der versucht, die Besitzerin ausfindig zu machen. Der Inhalt der Tasche gibt außer dem Vornamen wenig preis und Laurent macht sich auf Spurensuche. Dabei hilft ihm ein rotes Notizbüchlein, in dem Laure ihre geheimsten Gedanken, Wünsche und Ängste notiert hat. Je mehr Laurent von Laure erfährt, desto größer sein Wunsch sie kennenzulernen. Und er erfährt nicht nur immer mehr über die unbekannte Frau, sondern lernt auch unbekannte Seiten seiner selbst kennen.

So weit , so vorhersehbar? Vielleicht…aber bis es soweit ist, genießen wir eine wunderbare, sprachlich schön gestaltete Geschichte mit zwei bezaubernden Charakteren.

Atlantik Verlag, € 20

J.J.Abrams, Doug Dorst, Das Schiff des Theseus

Das gestalterisch schönste  Buch des Jahres- etwas ganz Besonderes – ein Bilderbuch für Erwachsene! Hier verbergen sich mehrere Bücher und Geschichten in einem Buch und Seite für Seite stößt man auf neue Herausforderungen! Das Buch, verpackt in einem Schuber, hat mich schon beim ersten in die Hand nehmen, herausgefordert, da man als ersten Akt willkürlkich eine Banderole zerreißen muss. das schmerz den Buchliebhaber.

Aber: es lohnt sich! Seite für Seite erwarten den Leser neue Aufgaben und Herausforderungen. Die eigentliche Geschichte, geschrieben von einem Herrn Straka „Das Schiff des Theseus“ wird ergänzt  durch die Anmerkungen zweier Studenten, die sich dieses Buch in einer Bibliothek, unabhängig voneinander, abwechselnd ausleihen. Zwischen den beiden Studenten Jen und Eric entspinnt sich eine lebhafte Unterhaltung, die wir Leser ausschließlich anhand der Randnotizen verfolgen können. Ziel der beiden ist es, den unter einem Pseudonym schreibenden Autoren ausfindig zu machen. Aber da gibt es wohl noch jemanden, der genau dies verhindern will.

Fußnote: der Autor J.J.Abrams ist der Regisseur und Produzent des neuesten Starwars Films.

Man munkelt, dass es dieses Buch nicht mehr lange geben wird, aber ich wollte es Ihnen nicht vorenthalten . Kiwi Verlag , € 45